Der Europäische Fernwanderweg E4 ist insgesamt 10450 km lang und verbindet den südwestlichsten Punkt des europäischen Kontinents Kap St. Vinzenz in Portugal mit der im Südosten liegenden Insel Zypern. Da wir nur 3 Wochen Zeit haben wird es mit dem kompletten Weg eher schwierig und wir entscheiden uns für das 270 km lange Teilstück auf Peleponnes in Griechenland. Warum Peleponnes? Erstens wollen wir der Frage nachgehen, ob Wandern im August in Griechenland möglich ist, ohne den schmalen Grad (hahaha) zum Hitzeschlag praktisch täglich zu überschreiten. Und ob man es außerdem schafft, genauso viel Wasser mit sich rumzuschleppen, wie man ausschwitzt, ohne zusammen zu brechen. Die Wahl fällt schwer, aber da wir Dank Corona in kein anderes Land einreisen können, auch nicht so schwer. Aber auch die Natur interessiert uns sehr!

Wir starten unsere Reise also zunächst noch klassisch in Athen und lassen uns von einem Fahrer, den wir günstig über gettransfer.com buchen, nach Diakopto bringen. Einen kleinen Reiseführer und die GPS Daten haben wir uns zuvor auf e4-peleponnes.info gegen eine Gebühr herunter geladen. Wir wissen bereits, dass wir die ersten beiden Tage 23 km immer entlang der Bahngleise der bekannten Zahnradbahn nach Kalavryta wandern. Am Bahnhof essen wir in bester Stimmung noch gemütlich zu Mittag und warten bis die Sonne den höchsten Punkt erreicht, um dann das große Abenteuer zu starten. Der erste Rückschlag lässt vermutlich nicht mal 3 km auf sich warten, einem ist schlecht, der anderen wird schwarz vor Augen, wir erreichen mit letzter Kraft einen kleinen Schattenplatz und trinken schweigend Wasser.  Zweifel machen sich breit, werden aber nicht ausgesprochen. Rückblickend ist die erste Etappe eine der schönsten des ganzen Weges. Wir wandern durch die Vouraïkos-Schlucht, immer am Fluss entlang, durch Tunnel und über kleine Eisenbahnbrücken, vorbei an wilden Felsen und Felsbecken und wir kühlen uns immer wieder ab im eiskalten Wasser. Unsere App benutzen wir kaum, denn wir folgen immer den Gleisen. Ich lerne außerdem, dass eine Zahnradbahn dann zum Einsatz kommt, wenn es steil ist. Es folgt der erste Tavernen Besuch der Reise am alten Bahnhof Zachlorou und wir genießen kalte Cola und kalten Kaffee (Café Frappé), weil heißer einfach zu heiß ist für das Wetter. Und merke, und das auch noch unzählige Male danach auf dieser Reise, dass ein Platz im Schatten, ein kaltes Getränk und gute Gesellschaft das pure Glück sein kann. Weil wir, in erster Linie ich, zu langsam gehen und wir bei der Suche für einen geeigneten Hängeplatz für unsere Hängematten (Griechenland ist zu steinig und wir zu schwach für ein Zelt) zu wählerisch sind, ist es bereits dunkel, als wir endlich abhängen und ich mich frage, auf was ich mich hier eingelassen habe.

Das Abenteuer lässt uns keine Sekunde los. Wir irren auf Ziegenpfaden herum, erklimmen Skigebiete, in denen es 40 Grad hat, wir suchen Wasser, essen Asia Nudeln, sehen die erste Schildkröte, fahren mit dem Taxi in die Krankenstation, ins Hotel mit Pool, zurück auf den E4, werfen Rucksäcke anstatt sie zu tragen, weil das Gestrüpp zu dicht ist. Wir kehren ein und essen viel Zaziki, verbrauchen Unmengen Sonnencreme und gehen immer weiter. Wir kommen durch viele kleine Dörfer und die Griechen begrüßen uns meist schon von Weitem. Einmal machen wir an einer Quelle Pause und nach kurzer Zeit bringt uns eine Frau eine selbstgemachte Quiche und vier Gurken aus ihrem Garten. Selten hat eine Gurke mit Salz so unglaublich gut geschmeckt. Ein anderes Mal werden wir beim täglichen Tavernen Besuch vom Griechen am Nebentisch auf Frappés eingeladen. Wir merken außerdem schnell, dass wir hier mit Englisch nicht weit kommen und es kommt recht häufig zu Missverständnissen aller Art. Aber wenn man Zeit hat, ist alles viel leichter und schöner und wir haben ja immer den ganzen Tag Zeit.

Fernwanderweg E4

Nach einer Woche sind wir eingespielt und profimäßig unterwegs. Wir starten früh und mit Haferflocken mit Milchpulver gestärkt in den Tag. Wir wandern ein paar Stunden bis es zu heiß wird und suchen uns dann ein schattiges Plätzchen für unsere Hängematten und leiten die wohlverdiente Siesta ein. Wahlweise auch in der Taverna. Am Spätnachmittag geht es weiter, um 20:00 Uhr wird der Schlafplatz aufgebaut und um 21:00 Uhr ist es eh schon dunkel und es gibt nicht viel zu tun in der Wildnis außer Schlafen oder sich in scheinbar gefährliche und gruselige Vorkommnisse rund um unser Camp hinein zu steigern. Diese Vorkommnisse reichen von Schüssen, über Schakalgeheul, einem Wildschweinbesuch bis hin zu mysteriösen Lichtern und Stimmen im Wald. Weil wir den Gefahren ab und zu entkommen wollen und auch eine Dusche manchmal ganz schön sein kann, übernachten wir hin und wieder in E4 Sponsor Hotels. Diese unterstützen den Erhalt des Weges durch Spenden und sind in unserem Reiseführer aufgelistet.


Eine anspruchsvolle aber auch besonders schöne Etappe ist die von Vytina nach Kardaras. Den höchsten Punkt von fast 1700 hm erreichen wir mit dem Aufstieg auf die Menalon Hütte. Die Hütte ist geschlossen und deutet auf winterlichen Skibetrieb hin. Die Holzterrasse eröffnet uns einen spektakulären Blick über das ganze Tal und das ist wohl der schönste Brotzeit Spot der ganzen Reise. Das letzte Highlight des Tages ist das Hotel Ostra Menalon Luxury Suites, das wir nach 17 km endlich erreichen.

Menalon Hütte

Etwa bei der Hälfte des Weges gönnen wir uns einen Tag Pause in Sparta. Wir schlafen aus, liegen herum, verarzten unsere Blasen und verbringen einen sehr schönen Abend mit leckerem Essen und Cocktails in der Ministry Music Hall.

Auf der vorletzten Etappe, nach dem Aufstieg zum Kloster Pangia Giatrissa und circa 40 km vor unserem Etappenziel Gythion, sehen wir zum ersten Mal in weiter Ferne das Meer und sind aus dem Häuschen. Wie immer brennt die Sonne erbarmungslos auf uns herab und wir können den Sprung in die Wellen nicht mehr erwarten.

Am nächsten Tag, nach 15 km auf der letzten Etappe, die nur an der Straße entlangführt, wirft plötzlich jemand das Wort “Taxi“ in die mittägliche Hitze. Wir lachen ein wenig und wandern weiter. Schön wäre es schon, aber wir wissen ja gar nicht, wo wir genau sind und könnten rein theoretisch gar keins bestellen. Außerdem sind es ja nur noch 15 weitere lächerliche Kilometer. Nach weiteren 10 Minuten setzen wir alle Hebel in Kraft und werden von einem Taxi abgeholt, das uns zum Campingplatz Gythion Bay bringt, wo wir unsere Rucksäcke vor unseren gemieteten Wohnwagen werfen und ins Meer springen.

Letztendlich sind wir ungefähr 200 km gelaufen und haben insgesamt 9000 hm erklommen und sind schon recht stolz auf uns. Auf dem ganzen Weg sind wir übrigens keinem einzigen anderen Wanderer begegnet, nur unzähligen Ziegen, Hunden & Katzen, einigen Pferden, zwei Schildkröten und einem Wildschwein.

Strand Gythion